Bei einem Erbverzicht handelt es sich um einen Vertrag, der zu Lebzeiten zwischen dem Erblasser und seinem möglichen Erben. Der Erbe verzichtet dadurch auf sein künftiges gesetzliches Erbrecht.
Die gesetzliche Regelung dafür befindet sich in den Paragraphen (§§) 2346-2352 BGB.
Formen des Erbverzichts
Beim Erbverzicht im engeren Sinne verzichtet der Erbe auf ein künftiges gesetzliches Erbrecht.
Beim Pflichtteilsverzicht verzichtet der gesetzliche Erbe nur auf sein Pflichtteilsrecht.
Mit einem einem Zuwendungsverzicht kann der Begünstigte z. B. auf ein Vermächtnis verzichten.
Zweck des Erbverzichts
Der Zweck des Erbverzichts besteht darin, einen gesetzlichen Erben von der Erbfolge auszuschließen. Das kann sinnvoll sein, wenn Vermögen bereits zu Lebzeiten auf ein Kind übertragen werden soll („vorweggenommene Erbfolge“).
Beispiel: Eltern haben mehrere Kinder. Die Eltern kaufen einer Tochter ein Haus oder ein Geschäft. Damit die anderen Kinder nicht benachteiligt werden, können die Eltern mit dieser Tochter einen Erbverzicht vereinbaren.
Rechtsnatur des Erbverzichts
Der Erbverzicht ist ein Rechtsgeschäft (Vertrag) unter Lebenden. Der Erblasser kann den Vertrag nur zu Lebzeiten abschließn. Weiter kann der Erblasser ihn nur höchstpersönlich abschließen. Das heißt, der Erblasser kann sich nicht vertreten lassen. Derjenige, der auf sein Erbteil verzichtet, kann sich allerdings vertreten lassen.
Der Erbverzichtsvertrag bedarf der notariellen Beurkundung, § 2348 BGB.
Die Vertragspartner können den Vertrag auch wieder aufheben. Auch den Aufhebungsvertrag muss der Notar beurkunden. Der Erblasser kann den Aufhebungsvertrag nur zu seinen Lebzeiten abschließen. Nach seinem Tod ist eine Aufhebung nicht mehr möglich.
Wirkung des Erbverzichts
Durch den wirksamen Erbverzicht entsteht das zukünftige Erbrecht nicht. Selbst wenn der Verzicht andere begünstigt, ist der Verzicht keine Schenkung. Im Zweifelsfall gilt der Erbverzicht auch für die Nachkommen des Verzichtenden, § 2349 BGB.
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Neue Grundsteuer – Feststellungsantrag ab 01.07.2022 bis 31.10.2022
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte in einem Urteil vom 10.04.2018 die bisherige Vorschriften zur Bewertung für die Bemessung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt. Bis Ende 2019 sollte der Gesetzgeber die Bewertung neu regeln. Die Neubewertung sollte bis spätestens 31.12.2024 durchgeführt werden.
Hintergrund
Anlass für die Entscheidung des BVerfG waren mehrere Verfassungsbeschwerden und Vorlagen durch den Bundesfinanzhof (BFH). Dabei ging es im wesentlichen um Entscheidungen aus den alten Bundesländern.
Bisher wird die Grundsteuer anhand von Einheitswerten berechnet. Diese Werte stammen in den alten Bundesländern aus dem Jahr 1964, in den neuen Bundesländern aus dem Jahr 1935. Diesen Werte geben nicht die tatsächliche Wertentwicklung eines Grundstücks wieder. Gleichartige Grundstücke werden unterschiedlich behandelt.
Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht die bisherige Berechnungsmethode für verfassungswidrig erklärt.
Besteuerungsverfahren
Die Bewertung des Grundstücks wird nach dem Bewertungsgesetz vorgenommen. Das Finanzamt stellt in einem Feststellungsbescheid einen Einheitswert fest.
Die Gemeinde, in der das Grundstück liegt, erlässt dann den Grundsteuerbescheid. In diesem setzt die Gemeinde die jährlich zu zahlende Grundsteuer fest. Diese Bescheide werden voraussichtlich im Laufe des Jahres 2024 erlassen. Die neue Grundsteuer muss erst dem 01.01.2025 gezahlt werden.
Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die neue Grundsteuer nicht wesentlich von der bisher zu zahlenden Grundsteuer abweichen. Auf Grund des neuen Bewertungssystems kann es aber zu geringfügigen Abweichungen nach unten oder nach oben kommen.
Antragstellung
Der oder die Eigentümer, die am 01.01.2022 Eigentümer eines Grundstücks waren, müssen den Feststellungsantrag beim zuständigen Finanzamt einreichen. Das gilt auch dann, wenn sie das Grundstück nach dem 01.01.2022 verkauft haben.
Die Feststellungsanträge sind zwischen dem 01.07.2022 und dem 31.10.2022 beim Finanzamt einzureichen.
Den Feststellungsantrag kann der Grundstückseigentümer selber über ein Internet-Portal einreichen.
Allerdings kann er diesen Antrag auch über einen Rechtsanwalt stellen lassen. Lohnsteuerhilfevereine sind zur Zeit nicht befugt Steuerpflichtige bei der Erstellung der Feststellungserklärung zu unterstützen.
In meiner Rechtsanwaltskanzlei biete ich es Grundstückseigentümern an, den Feststellungsantrag für sie zu stellen.
Vergütung
Die Vergütung des Rechtsanwalts für die Stellung des Antrags ist gesetzlich vorgeschrieben. Sie richtet sich nach der Steuerberatervergütungsverordnung (StBVV).
Nach § 24 Abs. 1 Nr. 11 StBVV erhält der Rechtsanwalt 1/20 bis 18/20 einer vollen Gebühr nach Tabelle A (Anlage 1 zur StBVV). Die sog. Mittelgebühr liegt bei 9,5/20.
Für die Berechnung der einzelnen Gebühr ist der sog. Gegenstandswert maßgebend. Dieser Wert ist nach dem Wortlaut des Gesetzes der „erklärte Wert“.
Beträgt der erklärte Wert für ein Grundstück zum Beispiel 120.000,00 € ist dieser Wert auch für die Gebührenberechnung maßgebend.
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Das sog. Berliner Testament ist eine besondere Form des gemeinschaftlichen Testaments
In einem gemeinschaftlichen Testament treffen mehrere Personen letztwillige Verfügungen in einer Urkunde. Ein solches kann nur von Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern errichtet werden. Unverheiratete oder Verlobte können kein gemeinschaftliches Testament errichten.
Die gesetzlichen Regeln für Ehegatten und eingetragene Lebenspartnerschaften sind einander angeglichen. Im Folgenden ist nur von Ehegatten die Rede. Dies dient der leichteren Lesbarkeit des Textes.
Berliner Testament
In einem „Berliner Testament“ setzen sich die Ehegatten zunächst gegenseitig zu Alleinerben ein. Für den zweiten Todesfall setzen sie einen Dritten ein. Dabei handelt es sich meist um die gemeinsamen Kinder.
Enterbung der gemeinsamen Kinder
Nach der gesetzlichen Erbfolge sind zunächst die Kinder eines Verstorbenen Erben. Neben den Kindern hat auch der Ehegatte ein gesetzliches Erbrecht.
Setzen sich die Ehegatten gegenseitig als Alleinerben ein, enterben sie die Kinder. Dadurch entstehen den Kindern Pflichtteilsansprüche nach dem ersten Erbfall. Diese können sie gegen den überlebenden Ehegatten geltend machen.
Das ist in vielen Fällen nicht gewünscht. Meistens sollen die Kinder erst nach dem Tod des Überlebenden ihren Erbteil erhalten.
Errichtung des Berliner Testament
Bei der Errichtung des Berliner Testament empfiehlt es sich, Folgendes zu bedenken:
Soll der überlebende Ehegatte frei über den Nachlass verfügen dürfen?
Soll man Verfügungsbeschränkungen in das Testament aufnehmen? Dadurch kann man z. B. den Nachlass für die Kinder sichern.
Was soll geschehen, wenn der überlebende Ehegatte wieder heiratet?
Wie kann man erschweren, dass Pflichtteilsansprüche geltend gemacht werden?
Wie soll der Nachlass aufgeteilt werden? Bleibt der Überlebende an die gemeinsamen Verfügungen gebunden?
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Wer eine Rechtsschutzversicherung abschließt geht davon aus oder hofft, dass seine Versicherung ihn umfassend absichert. Das ist aber leider nicht so.
Was im Einzelnen versichert ist, ergibt sich aus dem jeweiligen Vertrag und den Versicherungsbedingungen. Im Bereich der Rechtsschutzversicherung heißen die Versicherungsbedingungen „Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung“ (ARB).
Wichtig: bei diesen Bedingungen handelt es sich um Muster. Die einzelnen Versicherer müssen sich nicht an dieses Muster halten. Verschiedene Versicherer können daher auch unterschiedliche ARB haben. Daher ist es wichtig, dass Sie die ARB, die Sie von Ihrem Versicherer erhalten oder erhalten haben, sorgfältig aufbewahren.
Umfang der Rechtsschutzversicherung
Der Umfang der Versicherung wird einerseits nach Lebensbereichen bestimmt.
Eine Versicherung „Privat-Rechtsschutz“ hat einen anderen Inhalt als eine Versicherung „Rechtsschutz für Selbstständige oder Firmen“ oder „Rechtsschutz für Vereine“.
Verschiedene Bereiche sind mit gesonderten „Bausteinen“ zu versichern. So ist z. B. im Privat-Rechtsschutz eine Verkehrs-Rechtsschutz, eine Berufs-Rechtsschutz oder eine Wohnungs-Rechtsschutz nicht enthalten. Diese „Bausteine“ müssen zusätzlich versichert werden.
Bei einzelnen Bausteinen ist darauf zu achten, dass Sie in der richtigen „Eigenschaft“ versichert sind. Haben Sie eine Wohnung gemietet, müssen Sie in der Wohnungs- und Grundstücks-Rechtsschutz als Mieter versichert sein.
Andererseits umfasst der Versicherungsschutz verschiedene Rechtsbereiche.
Rechtsschutzversicherung im Steuerrecht.
Die „Privat-, Verkehrs- oder Berufs-Rechtsschutz“ umfasst auch die Bereiche des Verwaltungsrechts und des Steuerrechts. Das heißt, diese Bereiche sind in der Privat-Rechtsschutz mitversichert, ohne dass Sie dafür einen extra Baustein hinzu buchen müssen.
Dieser Rechtsschutz gilt aber erst ab dem gerichtlichen Verfahren.
Müssen Sie gegen einen Bescheid von einer Verwaltungsbehörde Widerspruch einlegen und nehmen Sie dazu einen Rechtsanwalt, müssen Sie diesen selber bezahlen.
Brauchen Sie für Ihre Steuererklärungen oder Einsprüche gegen Steuerbescheide einen Rechtsanwalt, müssen Sie diesen auch selber bezahlen.
Erst wenn Sie vor das Verwaltungsgericht oder das Finanzgericht gehen müssen, tritt die Rechtsschutzversicherung ein.
Der Steuer-Rechtsschutz besteht nicht im Bereich Rechtsschutz für Selbstständige oder Firmen. Das heißt, wenn z. B. Sie als Gewerbetreibender Probleme mit dem Finanzamt haben, tritt die Rechtsschutz-Versicherung auch dann nicht ein, wenn Sie vor das Finanzgericht gehen müssen.
Ausschlüsse in der Rechtsschutzversicherung
Die ARB halten regelmäßig auch zahlreiche Ausschlüsse bereit. Dabei kann es um zeitliche Ausschlüsse gehen, aber auch um inhaltliche.
Zeitliche Ausschlüsse
Ein zeitlicher Ausschluss ist z. B. gegeben, wenn innerhalb von drei Monaten nach Vertragsbeginn ein Versicherungsfall eintritt (sog. Wartezeit). In der Wartezeit besteht kein Versicherungsschutz.
Ausnahmen: auch innerhalb der Wartezeit besteht Versicherungsschutz z. B. in Strafsachen oder bei Ordnungswidrigkeiten (Bußgeldsachen).
Der zeitliche Ausschluss ist auch dann gegeben, wenn der Versicherungsfall zwar erst nach Ablauf der Wartezeit eintritt, aber eine Leistung schon vor dem Abschluss des Vertrags beantragt wurde.
Beispiel: Sie haben vor Abschluss des Versicherungsvertrags einen Antrag bei einer Behörde gestellt. Nach Ablauf der Wartezeit lehnt die Behörde Ihren Antrag ab.
Inhaltliche Ausschlüsse
Neben zeitlichen Ausschlüssen gibt es zahlreiche inhaltliche Ausschlüsse.
Eine Rechtsschutzversicherung für die Lebensbereiche „Privat, Beruf und Verkehr“ ist oft schon für einen Jahresbeitrag unter € 300,00 zu bekommen (Vergleiche der Versicherer gibt es z. B. bei der Zeitschrift Finanztest, Ausgabe 05/2020, 07/2021). Daher lehnen es die Versicherer regelmäßig ab, Bereiche zu versichern, die nach ihren Erfahrungen besonders teuer sind oder wo Rechtsstreitigkeiten besonders häufig sind.
In einem Gerichtsverfahren bei einem Streitwert von z. B. 5.000,00 € betragen die Kosten für den eigenen Rechtsanwalt bereits 1.017,45 €.
Daher sind z. B. Streitigkeiten auf den Gebieten
Familien-, Lebenspartnerschafts- und Erbrecht,
Baurecht,
Erwerb, Veräußerung, Verwaltung und Finanzierung von Kapitalanlagen,
Ordnungswidrigkeiten- bzw. Verwaltungsverfahren wegen eines Halt- oder Parkverstoßes
in ursächlichem Zusammenhang mit Patent-, Urheber-, Marken-, Geschmacksmuster-/Gebrauchsmusterrechten oder sonstigen Rechten aus geistigem Eigentum
und viele andere mehr vom Rechtsschutz ausgenommen. Inhaltliche Ausschlüsse werden immer wieder geändert. Das heißt, es kommen neue Ausschlüsse hinzu.
So werden z. B. Prozesse wegen Streitigkeiten aus Gewinnzusagen nach den ARB 2021 nicht mehr von der Rechtsschutzversicherung finanziert.
Ältere Versicherungsbedingungen
Sollten Ihrem Versicherungsvertrag ältere Bedingungen als die ARB 2021 zugrunde liegen, ist es möglich, dass einige inhaltliche Ausschlüsse noch nicht vorlagen.
Der Ausschluss für Streitigkeiten aus Gewinnzusagen ist z. B. verhältnismäßig neu.
In älteren ARB war dieser Ausschluss noch nicht vorhanden.
Sollten Sie daher noch einen alten Vertrag, d. h. einen Vertrag mit älteren ARB haben, sollten Sie diesen regelmäßig nicht in einen neuen Vertrag umwandeln.
Haben Sie Fragen zu oder Probleme mit Ihrer Rechtsschutzversicherung? Nehmen Sie gerne Kontakt mit mir auf.
Der Widerruf des Testaments durch Streichung führt zu einer Änderung der Erbfolge.
Sachverhalt:
Eine Erblasserin hatte in ihrem Testament einen gemeinnützigen Verein zum Alleinerben eingesetzt. Später änderte sie das Testament, indem sie den gemeinnützigen Verein durchstrich. Hinter dem Satz „Zu meinen Erben setze ich ein“ fügt sie die Worte ein „wird noch genannt“. Das tat sie vor ihrem Tod aber nicht mehr.
Sowohl der Verein als auch die Schwester der Verstorbenen sahen sich deshalb als Alleinerben. Die Schwester beantragte einen Erbschein beim Nachlassgericht. Diesen erhielt sie auch.
Entscheidung des OLG
Die Beschwerde des Vereins wies das OLG Stuttgart zurück.
Der Erblasser kann sein Testament jederzeit ändern, notfalls auch durch Streichungen. Dadurch sei die Einsetzung des Vereins widerrufen. Ein neuer Erbe war nicht bestimmt. Daher gilt die gesetzliche Erbfolge.
Außer der Schwester der Verstorbenen war kein Verwandter mehr da. Daher wurde die Schwester Alleinerbe.
Tipp:
Das Durchstreichen eines eingesetzten Erben ist wirksam. Deshalb erscheint die Gefahr des Missbrauchs dieser Möglichkeit groß. Daher sollte zu erkennen sein, dass die Änderung vom Verstorbenen stammt. Das kann eine Anmerkung sein, wie in dem oben beschriebenen Fall. Es kann aber z. B. auch die Unterschrift oder ein Handzeichen neben der Änderung sein.
Wenn ein Verbraucher seine Schulden nicht mehr bezahlen kann, bleibt ihm oft nur der Weg in die Verbraucherinsolvenz. Er kann bei dem für ihn zuständigen Amtsgericht die Durchführung eines Insolvenzverfahrens beantragen.
Verfahrensablauf
Vorher muss er seinen Gläubigern eine Schuldenregulierung vorschlagen. Gläubiger sind die Personen oder Firmen, denen man Geld schuldet.
Man muss alle Gläubiger anschreiben und einen Vorschlag machen, wie man die Schulden bei ihnen bezahlen möchte.
Beispiel: Jemand schuldet fünf Gläubigern Geld, insgesamt 15.000 €. G 1 schuldet er 5.000 €, G 2 schuldet er 4.000 €, G 3 schuldet er 3.000 €, G 4 schuldet er 2.000 € und G 5 schuldet er 1.000 €.
Dann kann er den Gläubigern vorschlagen, dass er ihnen über sechs Jahre insgesamt 10 % der Forderungen bezahlt. G 1 bekommt nach diesem Vorschlag insgesamt 500 €, G 2 bekommt 400 €, G 3 bekommt 300 €, G 4 bekommt 200 und G 5 bekommt 100 €. Nach Ablauf der sechs Jahre soll der Rest der Forderungen gestrichen werden.
Lehnt nur ein Gläubiger diesen Vorschlag ab, ist die außergerichtliche Einigung gescheitert. Dann kann der Insolvenzantrag gestellt werden.
Wird der Insolvenzantrag gestellt, bestellt das Gericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Dieser prüft, ob die Voraussetzungen erfüllt sind. Dann muss er dem Gericht empfehlen, das Verfahren zu eröffnen. Dann wird der vorläufige Insolvenzverwalter regelmäßig auch zum eigentlichen Insolvenzverwalter bestimmt.
Nach einer „Wohlverhaltensphase“, die sechs Jahre dauert, tritt dann die Restschuldbefreiung ein. Die Restschuldbefreiung kann aber abgelehnt werden, wenn der Schuldner bestimmte Pflichten nicht erfüllt. Auch gibt es Forderungen, die von der Befreiung ausgeschlossen sind, z. B. Bußgelder oder Geldstrafen.
Der Antrag
Ein Formular für den Insolvenzantrag finden Sie hier. In diesem Formular finden Sie auch Hinweise für das Ausfüllen des Antrags.
Kosten des Verfahrens
Ein Insolvenzverfahren kostet Geld. Es entstehen Gerichtsgebühren. Für das sogenannte Eröffnungsverfahren entstehen 0,5 Gebühren, für das eigentliche Hauptverfahren 2,5 Gebühren. Auch der Insolvenzverwalter muss bezahlt werden.
Der Verbraucher soll mit den Gebühren nicht daran gehindert werden, die Insolvenz zu beantragen. Daher kann man sich die Kosten des Verfahrens bis zur Restschuldbefreiung stunden lassen. Das heißt, diese Kosten müssen erst bezahlt werden, wenn die „Wohlverhaltensphase“ abgeschlossen ist.
Regelmäßig kann man mit dem Insolvenzverwalter vereinbaren, dass man die voraussichtlich entstehenden über die Dauer des Verfahrens in Raten an Ihn bezahlt. Wenn man über sechs Jahre z. B. monatlich 25 € bezahlt, hat man am Ende 1.800 € für die Gerichtskosten und Kosten des Insolvenzverwalters zusammen.
Aufgabe des Rechtsanwalts
Auch im Rahmen der Verbraucherinsolvenz kann man einen Rechtsanwalt beauftragen. Er kann dann die außergerichtliche Schuldenbereinigung durchführen. Bei bedarf kann er den Insolvenzantrag stellen.
Kosten des Rechtsanwalts
Auch der Rechtsanwalt ist für seine Tätigkeit zu bezahlen. Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) beschreibt, welche Gebühren der Rechtsanwalt für die Verbraucherinsolvenz aus der Staatskasse erhält. Voraussetzung für die Bezahlung aus der Staatskasse ist, dass der Schuldner einen sogenannten Berechtigungsschein für Beratungshilfe bekommt.
Berechtigungsschein für Beratungshilfe
Diesen Berechtigungsschein kann man bei dem zuständigen Amtsgericht beantragen. Einige Gerichte lehnen es ab einen solchen Berechtigungsschein zu erlassen. Sie verweisen darauf, dass man bei Schuldnerberatungsstellen diese Leistungen kostenlos erhalten kann. Deshalb sei es nicht nötig, einen Rechtsanwalt zu beauftragen.
Schuldnerberatungsstellen
Die Wartezeiten bei den Schuldnerberatungsstellen für die Verbraucherinsolvenz sind indes sehr lang. Oft dauert es ein Jahr, bevor man dort einen Termin bekommt.
Ein Rechtsanwalt kann das Verfahren daher oft schneller durchführen, als die Schuldnerberatungsstelle. Oft dauert es dort von dem Auftrag des Schuldners bis zur Eröffnung des Verfahrens nur zwei bis drei Monate.
Daher kann es für einen Schuldner interessant sein, das Verfahren durch einen Rechtsanwalt durchführen zu lassen.
Die Kosten für den Rechtsanwalt werden in einem solchen Fall meist individuell vereinbart.
Kontakt
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In der Presse wird gerade viel über eine Entscheidung des Bundesfinanzhof (BFH) vom 11.07.2019 zur Steuerbefreiung bei der Übertragung eines Familienheims berichtet.
Sachverhalt
Ein Ehepaar war
jeweils zur Hälfte Miteigentümer eines Einfamilienhauses (EFH). Der
Ehemann verstarb.
Die Ehefrau wurde Alleineigentümerin des EFH. Für den Erwerb des Miteigentumsanteils gewährte das Finanzamt eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 b Satz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG).
Nicht ganz
anderthalb Jahre nach dem Tod des Ehemannes schenkte die Ehefrau das
Haus der Tochter. Die Übertragung wurde mit einer notariellen
Urkunde vorgenommen. Die Ehefrau behielt sich lediglich einen
lebenslangen Nießbrauch vor und blieb in dem Haus wohnen.
Das Finanzamt setzte daraufhin (weitere) Erbschaftsteuer fest. Das begründete es damit, dass durch die Übertragung auf die Tochter die Steuerbefreiung nach § 13 ErbStG rückwirkend weggefallen sei (Nachversteuerung).
Dagegen klagte die Ehefrau. Das Finanzgericht Münster und der BFH wiesen die Klage bzw. die Revision zurück.
Auslegung durch den Bundesfinanzhof (BFH)
Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist nicht eindeutig, ob die Steuerbefreiung auch dann eintritt, wenn der überlebende Ehegatte sich (nur) ein Wohnrecht vorbehält. Daher musste der BFH den Gesetzestext auslegen.
Dabei kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass der Gesetzgeber den familiären Lebensraum schützen und die Bildung von Wohnungseigentum durch die Familie fördern wolle. Die Steuerbefreiung könne daher nur der überlebende Ehegatte (oder Lebenspartner) beanspruchen, der Eigentümer der Immobilie wird und sie selbst zum Wohnen nutzt. Werde die Nutzung innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb (hier: = Tod des Ehemannes) aufgegeben, entfalle die Steuerbefreiung rückwirkend.
Anmerkung
Im vorliegenden Fall war die Ehefrau Alleinerbin geworden. Regelmäßig werden bei einer sog. Zugewinngemeinschaft die Ehegatten zur Hälfte neben den Kindern Erben. Da die Frau Alleinerbin wurde, waren die normalen erbrechtlichen Folgen aufgehoben. Grundlage dafür wird ein Testament gewesen sein.
Der Befreiungstatbestand des § 13 Abs. 1 Nr. 4 b ErbStG gilt nur für den überlebenden Ehegatten/Lebenspartner. Kinder sind in dem Befreiungstatbestand nicht erwähnt. Die Übertragung des Eigentums an die Tochter fällt deshalb nicht unter die Steuerbefreiung. Der Schutz des familiären Lebensraums kann daher kaum Beweggrund des Gesetzgebers gewesen sein. Kinder sind doch auch Familie?
Rückwirkender Wegfall der Steuerbefreiung
Die Steuerbefreiung fällt rückwirkend insgesamt weg, wenn der Überlebende das Familienheim nicht mehr selbst zu Wohnzwecken nutzt. Auch wenn die Ehefrau noch anderthalb Jahre nach dem Tod des Mannes Alleineigentümerin war, wirkt sich das nicht steuermindernd aus.
Keine steuerliche Beratungspflicht des Notars
In einem notariellen Übertragungsvertrag weist der Notar am Ende regelmäßig darauf hin, dass keine steuerliche Beratung stattgefunden hat. So wird das auch im vorliegenden Fall gewesen sein. Möglicherweise wollte die Frau auch einem Hinweis des Notars, einen Rechtsanwalt oder Steuerberater aufzusuchen, nicht folgen.
Freibeträge in der Erbschaftsteuer
Unabhängig von der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 b ErbStG haben Ehegatten einen Freibetrag in Höhe von 500.000 €, § 16 ErbStG. Im Ausgangsfall hatte das Finanzamt bereits vor der Aufhebung der Steuerbefreiung Erbschaftsteuer festgesetzt. Das geerbte Vermögen muss daher – auch ohne den Hausanteil des Mannes – schon mehr als 500.000 € betragen haben.
Möglicherweise
hätten sich die steuerrechtlichen Folgen für die Ehefrau durch eine
Beratung durch einen Rechtsanwalt oder Steuerberater vermeiden
lassen.
Die Beratung
durch einen Rechtsanwalt oder Steuerberater kostet Geld. Ob die
Vergütung des Rechtsanwalts aber die Höhe der Erbschaftsteuer
überschritten hätte, darf bezweifelt werden.
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Erleidet ein Ehegatte, der nicht als (geringfügig) Beschäftigter im Betrieb des anderen angestellt ist, dort einen Unfall, kann das ein versicherter Arbeitsunfall sein.
Sachverhalt
Die
Klägerin arbeitete hauptberuflich in einem Supermarkt im
Schichtdienst. Daneben half sie regelmäßig in der Gaststätte ihres
Ehemannes unentgeltlich aus. Am Unfalltag hatte die Klägerin mit
einem Kleintransporter Getränke für die Gaststätte des Ehemannes
eingekauft. Nach einer Veranstaltung in der Gaststätte des Mannes
luden die Klägerin und ihr Mann Getränke aus dem Transporter. Dabei
wurde die Klägerin von einem anderen Pkw angefahren und gegen den
Transporter gequetscht. Das linke Bein musste wegen der Verletzungen
amputiert werden.
Die Klägerin meldete den Unfall zunächst der Berufsgenossenschaft (BG), die für ihren Arbeitgeber (Supermarkt) zuständig war. Die BG lehnte einen Wegeunfall ab, weil die Klägerin sich nicht mehr auf dem Heimweg vom Arbeitsplatz befand.
Berufsgenossenschaft des Ehemannes
Dann
wandte sich die Klägerin an die BG, die für das Gewerbe ihres
Mannes zuständig war. Die lehnte es ab Leistungen zu erbringen. Das
begründete sie damit, dass es sich nicht um eine versicherte
„Wie-Beschäftigung“ gehandelt habe. Die Tätigkeit sei durch die
gegenseitige Hilfsbereitschaft der Ehegatten geprägt und somit
üblich gewesen.
Gegen
die Entscheidung der BG hat die Klägerin geklagt. Das Sozialgericht
(SG) hat die BG verurteilt, den Unfall als Arbeitsunfall
festzustellen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung, das
Bundessozialgericht (BSG) die Revision zurückgewiesen.
Entscheidung des Bundessozialgericht (BSG)
Zunächst
stellt das BSG fest, dass ein Unfall im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII
vorliegt.
Dann führt es aus, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Unfalls einer versicherten Tätigkeit im Sinne des § 2 SGB VII nachging. Zwar war sie nicht als Beschäftigte gesetzlich unfallversichert, sondern als sog. Wie-Beschäftigte.
Wie-Beschäftigte
Voraussetzung
dafür ist, dass
eine Tätigkeit erbracht wird, die einem fremden Unternehmen dient,
die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers dient,
einen wirtschaftlichen Wert hat und
die ihrer Art nach von Personen erbracht werden können, die in
einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen.
Das BSG bejahte, dass in dem Fall die Voraussetzungen für eine Wie-Beschäftigung erfüllt waren.
Sonderproblem: Gepräge durch eine Sonderbeziehung
Das
BSG verneint in seiner ständigen Rechtsprechung das Vorliegen einer
Wie-Beschäftigung, wenn die konkrete Tätigkeit ihr Gepräge durch
eine Sonderbeziehung des Handelnden zu dem Unternehmer erhalten hat.
Eine solche Sonderbeziehung liegt bei Erfüllung gesellschaftlicher
Pflichten vor, insbesondere familiärer, freundschaftlicher,
nachbarschaftlicher, mitgliedschaftlicher, gesellschaftsrechtlicher
oder körperschaftlicher Art.
Auch
bei einer solchen Sonderbeziehung sind alle Umstände des Einzelfalls
zu berücksichtigen. Das kann dazu führen, das die konkrete
Tätigkeit nach Art und Umfang über das hinausgeht, was im Rahmen
von Verwandtschafts- oder Freundschaftsbeziehungen als
selbstverständlich getan oder erwartet wird.
Das BSG verweist auf Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG), dem Schutz der Ehe und Familie. Es verweist darauf, dass Ehepartner nicht schlechter behandelt werden dürften als andere Personen, die einander Übergebühr Hilfe und Beistand leisten. Ferner hätten auch die Unfallsenate des BSG die Grenzen einer „selbstverständlichen“ Einstandspflicht unter Ehegatten aufgezeigt.
Besteuerung eines durch Erbanfall erworbenen Pflichtteilsanspruchs
Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte über die Besteuerung eines durch Erbanfall erworbenen Pflichtteilsanspruchs zu entscheiden.
Der Entscheidung lag folgender – vereinfachter – Sachverhalt zugrunde:
Sachverhalt:
Im April 2008 verstarb die Ehefrau des Vaters des Klägers. Die Eheleute hatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt. Nach dem Tod seiner Frau hatte der Vater das Erbe ausgeschlagen. Durch die Ausschlagung war ein Pflichtteilsanspruch entstanden. Den hatte er nicht geltend gemacht.
Rund ein halbes Jahr nach seiner Ehefrau verstarb auch der Vater des Klägers im September 2008. Der Kläger wurde Alleinerbe. Er machte Anfang 2009 den durch die Erbausschlagung entstandenen Pflichtteilsanspruch seines Vaters geltend.
Das Finanzamt hatte die Erbschaftsteuer zunächst auf den Todeszeitpunkt des Vaters festgesetzt. Dabei hatte es auch den Pflichtteilsanspruch des Vaters in die Berechnung der Erbschaftsteuer einbezogen. Dagegen wehrte sich der Kläger. Er meint, der Pflichtteil unterliege erst mit seiner Geltendmachung der Besteuerung.
Entscheidung des Bundesfinanzhof
Das Finanzgericht hatte den Einspruch des Klägers abgewiesen. Der Bundesfinanzhof wies die Revision des Klägers als unbegründet zurück. Seine Entscheidung begründete er im wesentlichen wie folgt:
Zivilrechtliche Ausführungen:
Der Erwerb von Todes wegen unterliegt der Erbschaftsteuer. Als Erwerb von Todes wegen gilt der Erwerb durch Erbanfall, durch Vermächtnis oder auf Grund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs. Erbanfall ist der Übergang der Erbschaft auf den Erben. Das vererbbare Vermögen geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge als Ganzes auf den Erben über.
Auch ein vom Erblasser (hier: Vater) nicht geltend gemachter Pflichtteilsanspruch gehört zum Nachlass.
Der überlebende Ehegatte kann den Zugewinnausgleich und einen Pflichtteil auch dann verlangen, wenn er die Erbschaft ausschlägt.
Der Pflichtteilsanspruch ist ein Geldanspruch. Er entsteht mit den Erbfall als Vollrecht und gehört von da an zivilrechtlich zum Vermögen des Pflichtteilsberechtigten. Das gilt unabhängig davon, ob er gegenüber den Erben (hier: der vorverstorbenen Frau) geltend gemacht wird.
Der Pflichtteilsanspruch ist vererblich und übertragbar. Beim Tod des Berechtigten gehört der Pflichtteilsanspruch zu seinem Nachlass.
Ausführungen zur Erbschaftsteuer
Bei dem Pflichtteilsberechtigtem (hier: Vater) unterliegt der Pflichtteil erst dann der Besteuerung, wenn er von diesem geltend gemacht wird. Damit weicht das Erbschaftsteuerrecht im Interesse des Berechtigten vom Zivilrecht ab.
Diese Besonderheit im Erbschaftsteuerrecht gilt nicht für den Erwerb eines Pflichtteilsanspruchs durch Erbanfall (hier: beim Kläger), sog. derivativer Erwerb. Für diesen Erwerb entsteht die Steuer bereits mit dem Tod des Pflichtteilsberechtigten. Auf die Geltendmachung gegenüber den Erben (hier: der Frau) kommt es nicht an.
Der Kläger konnte die Erbschaft ausschlagen. Der Pflichtteilsberechtigte (hier: Vater) konnte den Pflichtteil nicht ausschlagen.
Die Gefahr einer Doppelbesteuerung des Pflichtteilsanspruchs besteht nicht. Die Besteuerung richtet sich je nach Fall nach unterschiedlichen Vorschriften des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG).
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Bitte beachten Sie auch den Beitrag Pflichtteilsanspruch des Erben, der die Erbschaft ausschlägt.
Erstattung der Kosten für eine Lasik-Operation in der Privaten Krankenversicherung
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte über die Erstattung der Kosten für eine Lasik-Operation in der Privaten Krankenversicherung zu entscheiden. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Sachverhalt
Die Klägerin litt unter einer Fehlsichtigkeit (- 3,0 bzw. -2,75 Dioptrien). Daher hatte sie sich einer Femto-Lasik-Operation unterzogen. Dabei wird die Hornhaut des Auges mittels Laser in eine neue Form gebracht.
Für die Operation waren Kosten in Höhe von rund 3.500 € entstanden. Diese wollte die Klägerin von ihrer privaten Krankenversicherung erstattet bekommen. Die lehnte dies ab. Sie war der Meinung, dass es sich bei der Fehlsichtigkeit nicht um eine bedingungsgemässe Krankheit handelte.
Entscheidung des Amtsgerichts und des Landgerichts
Amtsgericht und Landgericht (Berufungsgericht)hatten eine Erstattung der Kosten ebenfalls abgelehnt. Das Landgericht hatte darauf abgestellt, dass von einer Krankheit im Sinne der Versicherungsbedingungen nur gesprochen werden könne, wenn eine Abweichung vom natürlichen körperlichen Zustand der versicherten Person vorliege, die nicht dem normalen Entwicklungs- oder Alterungsprozess entspreche. Dies sei bei der Klägerin zu verneinen. Auch sei ihr das Tragen einer Brille zum Ausgleich der Fehlsichtigkeit möglich und zumutbar.
Entscheidung des BGH
Der BGH bejahte dagegen das Vorliegen einer bedingungsgemäßen Krankheit. Dabei stellte er darauf ab, dass Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) so auszulegen sind, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Es komme auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an.
Für diesen Versicherungsnehmer spielt es keine Rolle, ob in medizinischen Fachkreisen erst ab einer Fehlsichtigkeit von -6 Dioptrien von einer Krankheit gesprochen werde.
Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer werde davon ausgehen, zum Normalzustand der Sehfähigkeit gehöre ein beschwerdefreies Lesen und eine gefahrenfreie Teilnahme am Straßenverkehr. Er werde das Vorliegen einer bedingungsgemäßen Krankheit annehmen, wenn bei ihm eine nicht nur ganz geringfügige Beeinträchtigung dieser körperlichen Normalfunktion vorliegt, die ohne Korrektur ein beschwerdefreies Sehen nicht ermöglicht.
Die AVB bestätigten diese Auffassung, indem sie Kosten für Sehhilfen bis zu einem Rechnungsbetrag von 200 € als erstattungsfähig betrachten.
Das Berufungsgericht hätte daher das Vorliegen einer bedingungsgemäßen Krankheit nicht verneinen dürfen. Aus medizinischer Sicht stehe die Korrekturbedürftigkeit außer Frage.
Medizinische notwendige Heilbehandlung?
Die Leistungspflicht der Versicherung hänge davon ab, ob die Operation eine medizinisch notwendige Heilbehandlung darstellte. Dazu hatte das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Daher musste der BGH die Sache an das Berufungsgericht zurückverweisen.
Hinweise des BGH
Bei seiner (neuen) Entscheidung muss das Berufungsgericht folgendes beachten:
Heilbehandlung ist eine ärztliche Tätigkeit, die durch die betreffende Krankheit verursacht ist, sofern die Tätigkeit des Arztes auf Heilung, Besserung oder Linderung der Tätigkeit abzielt.
Das Tragen einer Brille oder von Kontaktlinsen stellt keine Heilbehandlung dar. Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ist in den AVB nicht erkennbar, dass eine Heilbehandlung gegenüber der Verwendung von Hilfsmitteln zurück stehen soll.
Die Klägerin durfte ihre Fehlsichtigkeit durch eine Operation beheben lassen, die die Voraussetzung einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung erfüllt. Damit wird auf einen objektiven Maßstab abgestellt. Es muss nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar gewesen sein, die Heilbehandlung als notwendig anzusehen.
Zusammenfassung:
Eine Fehlsichtigkeit stellt eine Krankheit im Sinne der privaten Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung („bedingungsgemäße Krankheit“) dar.
Das gilt auch, wenn sie z. B. mit einer Brille oder Kontaktlinsen ausgeglichen werden kann.
Für die Einordnung als Krankheit spielt es keine Rolle, ob diese Fehlsichtigkeit bei 30% bis 40% der Menschen im vergleichbaren Alter eintritt.
Die Kosten für eine Lasik-Operation können daher von der privaten Krankenversicherung zu erstatten sein, wenn die Operation medizinisch notwendig war.
Das Thema interessiert Sie? Nehmen Sie Kontakt mit mir auf und vereinbaren einen Besprechungstermin. Bitte beachten Sie auch mein Merkblatt_Rechtsschutzversicherung und die dortigen Hinweise.