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Rechtsschutzversicherung

Wer eine Rechtsschutzversicherung abschließt geht davon aus oder hofft, dass seine Versicherung ihn umfassend absichert. Das ist aber leider nicht so.

Was im Einzelnen versichert ist, ergibt sich aus dem jeweiligen Vertrag und den Versicherungsbedingungen. Im Bereich der Rechtsschutzversicherung heißen die Versicherungsbedingungen „Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung“ (ARB).

Die derzeitigen Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV), die ARB 2021, können Sie auf dessen Website anschauen: https://www.gdv.de/resource/blob/5904/9dc6f61037b213cd9d270811e155cbff/01-allgemeine-bedingungen-fuer-die-rechtsschutzversicherung–arb-2021–data.pdf

Wichtig: bei diesen Bedingungen handelt es sich um Muster. Die einzelnen Versicherer müssen sich nicht an dieses Muster halten. Verschiedene Versicherer können daher auch unterschiedliche ARB haben. Daher ist es wichtig, dass Sie die ARB, die Sie von Ihrem Versicherer erhalten oder erhalten haben, sorgfältig aufbewahren.

Umfang der Rechtsschutzversicherung

Der Umfang der Versicherung wird einerseits nach Lebensbereichen bestimmt.

Eine Versicherung „Privat-Rechtsschutz“ hat einen anderen Inhalt als eine Versicherung „Rechtsschutz für Selbstständige oder Firmen“ oder „Rechtsschutz für Vereine“.

Verschiedene Bereiche sind mit gesonderten „Bausteinen“ zu versichern. So ist z. B. im Privat-Rechtsschutz eine Verkehrs-Rechtsschutz, eine Berufs-Rechtsschutz oder eine Wohnungs-Rechtsschutz nicht enthalten. Diese „Bausteine“ müssen zusätzlich versichert werden.

Bei einzelnen Bausteinen ist darauf zu achten, dass Sie in der richtigen „Eigenschaft“ versichert sind. Haben Sie eine Wohnung gemietet, müssen Sie in der Wohnungs- und Grundstücks-Rechtsschutz als Mieter versichert sein.

Andererseits umfasst der Versicherungsschutz verschiedene Rechtsbereiche.

Rechtsschutzversicherung im Steuerrecht.

Die „Privat-, Verkehrs- oder Berufs-Rechtsschutz“ umfasst auch die Bereiche des Verwaltungsrechts und des Steuerrechts. Das heißt, diese Bereiche sind in der Privat-Rechtsschutz mitversichert, ohne dass Sie dafür einen extra Baustein hinzu buchen müssen.

Dieser Rechtsschutz gilt aber erst ab dem gerichtlichen Verfahren.

Müssen Sie gegen einen Bescheid von einer Verwaltungsbehörde Widerspruch einlegen und nehmen Sie dazu einen Rechtsanwalt, müssen Sie diesen selber bezahlen.

Brauchen Sie für Ihre Steuererklärungen oder Einsprüche gegen Steuerbescheide einen Rechtsanwalt, müssen Sie diesen auch selber bezahlen.

Erst wenn Sie vor das Verwaltungsgericht oder das Finanzgericht gehen müssen, tritt die Rechtsschutzversicherung ein.

Der Steuer-Rechtsschutz besteht nicht im Bereich Rechtsschutz für Selbstständige oder Firmen. Das heißt, wenn z. B. Sie als Gewerbetreibender Probleme mit dem Finanzamt haben, tritt die Rechtsschutz-Versicherung auch dann nicht ein, wenn Sie vor das Finanzgericht gehen müssen.

Ausschlüsse in der Rechtsschutzversicherung

Die ARB halten regelmäßig auch zahlreiche Ausschlüsse bereit. Dabei kann es um zeitliche Ausschlüsse gehen, aber auch um inhaltliche.

Zeitliche Ausschlüsse

Ein zeitlicher Ausschluss ist z. B. gegeben, wenn innerhalb von drei Monaten nach Vertragsbeginn ein Versicherungsfall eintritt (sog. Wartezeit). In der Wartezeit besteht kein Versicherungsschutz.

Ausnahmen: auch innerhalb der Wartezeit besteht Versicherungsschutz z. B. in Strafsachen oder bei Ordnungswidrigkeiten (Bußgeldsachen).

Der zeitliche Ausschluss ist auch dann gegeben, wenn der Versicherungsfall zwar erst nach Ablauf der Wartezeit eintritt, aber eine Leistung schon vor dem Abschluss des Vertrags beantragt wurde.

Beispiel: Sie haben vor Abschluss des Versicherungsvertrags einen Antrag bei einer Behörde gestellt. Nach Ablauf der Wartezeit lehnt die Behörde Ihren Antrag ab.

Inhaltliche Ausschlüsse

Neben zeitlichen Ausschlüssen gibt es zahlreiche inhaltliche Ausschlüsse.

Eine Rechtsschutzversicherung für die Lebensbereiche „Privat, Beruf und Verkehr“ ist oft schon für einen Jahresbeitrag unter € 300,00 zu bekommen (Vergleiche der Versicherer gibt es z. B. bei der Zeitschrift Finanztest, Ausgabe 05/2020, 07/2021). Daher lehnen es die Versicherer regelmäßig ab, Bereiche zu versichern, die nach ihren Erfahrungen besonders teuer sind oder wo Rechtsstreitigkeiten besonders häufig sind.

In einem Gerichtsverfahren bei einem Streitwert von z. B. 5.000,00 € betragen die Kosten für den eigenen Rechtsanwalt bereits 1.017,45 €.

Daher sind z. B. Streitigkeiten auf den Gebieten

  • Familien-, Lebenspartnerschafts- und Erbrecht,
  • Baurecht,
  • Erwerb, Veräußerung, Verwaltung und Finanzierung von Kapitalanlagen,
  • Ordnungswidrigkeiten- bzw. Verwaltungsverfahren wegen eines Halt- oder Parkverstoßes
  • in ursächlichem Zusammenhang mit Patent-, Urheber-, Marken-, Geschmacksmuster-/Gebrauchsmusterrechten oder sonstigen Rechten aus geistigem Eigentum

und viele andere mehr vom Rechtsschutz ausgenommen. Inhaltliche Ausschlüsse werden immer wieder geändert. Das heißt, es kommen neue Ausschlüsse hinzu.

So werden z. B. Prozesse wegen Streitigkeiten aus Gewinnzusagen nach den ARB 2021 nicht mehr von der Rechtsschutzversicherung finanziert.

Ältere Versicherungsbedingungen

Sollten Ihrem Versicherungsvertrag ältere Bedingungen als die ARB 2021 zugrunde liegen, ist es möglich, dass einige inhaltliche Ausschlüsse noch nicht vorlagen.

Der Ausschluss für Streitigkeiten aus Gewinnzusagen ist z. B. verhältnismäßig neu.

In älteren ARB war dieser Ausschluss noch nicht vorhanden.

Sollten Sie daher noch einen alten Vertrag, d. h. einen Vertrag mit älteren ARB haben, sollten Sie diesen regelmäßig nicht in einen neuen Vertrag umwandeln.

Haben Sie Fragen zu oder Probleme mit Ihrer Rechtsschutzversicherung? Nehmen Sie gerne Kontakt mit mir auf.

QR-Code mit den Daten der Anwaltskanzlei.
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Gesetzliche Unfallversicherung: Ehegatte hilft im Geschäft des Partners

Erleidet ein Ehegatte, der nicht als (geringfügig) Beschäftigter im Betrieb des anderen angestellt ist, dort einen Unfall, kann das ein versicherter Arbeitsunfall sein.

Sachverhalt

Die Klägerin arbeitete hauptberuflich in einem Supermarkt im Schichtdienst. Daneben half sie regelmäßig in der Gaststätte ihres Ehemannes unentgeltlich aus. Am Unfalltag hatte die Klägerin mit einem Kleintransporter Getränke für die Gaststätte des Ehemannes eingekauft. Nach einer Veranstaltung in der Gaststätte des Mannes luden die Klägerin und ihr Mann Getränke aus dem Transporter. Dabei wurde die Klägerin von einem anderen Pkw angefahren und gegen den Transporter gequetscht. Das linke Bein musste wegen der Verletzungen amputiert werden.

Die Klägerin meldete den Unfall zunächst der Berufsgenossenschaft (BG), die für ihren Arbeitgeber (Supermarkt) zuständig war. Die BG lehnte einen Wegeunfall ab, weil die Klägerin sich nicht mehr auf dem Heimweg vom Arbeitsplatz befand.

Berufsgenossenschaft des Ehemannes

Dann wandte sich die Klägerin an die BG, die für das Gewerbe ihres Mannes zuständig war. Die lehnte es ab Leistungen zu erbringen. Das begründete sie damit, dass es sich nicht um eine versicherte „Wie-Beschäftigung“ gehandelt habe. Die Tätigkeit sei durch die gegenseitige Hilfsbereitschaft der Ehegatten geprägt und somit üblich gewesen.

Gegen die Entscheidung der BG hat die Klägerin geklagt. Das Sozialgericht (SG) hat die BG verurteilt, den Unfall als Arbeitsunfall festzustellen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung, das Bundessozialgericht (BSG) die Revision zurückgewiesen.

Entscheidung des Bundessozialgericht (BSG)

Zunächst stellt das BSG fest, dass ein Unfall im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII vorliegt.

Dann führt es aus, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Unfalls einer versicherten Tätigkeit im Sinne des § 2 SGB VII nachging. Zwar war sie nicht als Beschäftigte gesetzlich unfallversichert, sondern als sog. Wie-Beschäftigte.

Wie-Beschäftigte

Voraussetzung dafür ist, dass

  • eine Tätigkeit erbracht wird, die einem fremden Unternehmen dient,
  • die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers dient,
  • einen wirtschaftlichen Wert hat und
  • die ihrer Art nach von Personen erbracht werden können, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen.

Das BSG bejahte, dass in dem Fall die Voraussetzungen für eine Wie-Beschäftigung erfüllt waren.

Sonderproblem: Gepräge durch eine Sonderbeziehung

Das BSG verneint in seiner ständigen Rechtsprechung das Vorliegen einer Wie-Beschäftigung, wenn die konkrete Tätigkeit ihr Gepräge durch eine Sonderbeziehung des Handelnden zu dem Unternehmer erhalten hat. Eine solche Sonderbeziehung liegt bei Erfüllung gesellschaftlicher Pflichten vor, insbesondere familiärer, freundschaftlicher, nachbarschaftlicher, mitgliedschaftlicher, gesellschaftsrechtlicher oder körperschaftlicher Art.

Auch bei einer solchen Sonderbeziehung sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Das kann dazu führen, das die konkrete Tätigkeit nach Art und Umfang über das hinausgeht, was im Rahmen von Verwandtschafts- oder Freundschaftsbeziehungen als selbstverständlich getan oder erwartet wird.

Das BSG verweist auf Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG), dem Schutz der Ehe und Familie. Es verweist darauf, dass Ehepartner nicht schlechter behandelt werden dürften als andere Personen, die einander Übergebühr Hilfe und Beistand leisten. Ferner hätten auch die Unfallsenate des BSG die Grenzen einer „selbstverständlichen“ Einstandspflicht unter Ehegatten aufgezeigt.

BSG, 2018-06-19 – B 2 U 32/17 R

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