In der Presse wird gerade viel über eine Entscheidung des Bundesfinanzhof (BFH) vom 11.07.2019 zur Steuerbefreiung bei der Übertragung eines Familienheims berichtet.
Sachverhalt
Ein Ehepaar war jeweils zur Hälfte Miteigentümer eines Einfamilienhauses (EFH). Der Ehemann verstarb.
Die Ehefrau wurde Alleineigentümerin des EFH. Für den Erwerb des Miteigentumsanteils gewährte das Finanzamt eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 b Satz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG).
Nicht ganz anderthalb Jahre nach dem Tod des Ehemannes schenkte die Ehefrau das Haus der Tochter. Die Übertragung wurde mit einer notariellen Urkunde vorgenommen. Die Ehefrau behielt sich lediglich einen lebenslangen Nießbrauch vor und blieb in dem Haus wohnen.
Das Finanzamt setzte daraufhin (weitere) Erbschaftsteuer fest. Das begründete es damit, dass durch die Übertragung auf die Tochter die Steuerbefreiung nach § 13 ErbStG rückwirkend weggefallen sei (Nachversteuerung).
Dagegen klagte die Ehefrau. Das Finanzgericht Münster und der BFH wiesen die Klage bzw. die Revision zurück.
Auslegung durch den Bundesfinanzhof (BFH)
Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist nicht eindeutig, ob die Steuerbefreiung auch dann eintritt, wenn der überlebende Ehegatte sich (nur) ein Wohnrecht vorbehält. Daher musste der BFH den Gesetzestext auslegen.
Dabei kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass der Gesetzgeber den familiären Lebensraum schützen und die Bildung von Wohnungseigentum durch die Familie fördern wolle. Die Steuerbefreiung könne daher nur der überlebende Ehegatte (oder Lebenspartner) beanspruchen, der Eigentümer der Immobilie wird und sie selbst zum Wohnen nutzt. Werde die Nutzung innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb (hier: = Tod des Ehemannes) aufgegeben, entfalle die Steuerbefreiung rückwirkend.
Anmerkung
Im vorliegenden Fall war die Ehefrau Alleinerbin geworden.
Regelmäßig werden bei einer sog. Zugewinngemeinschaft die Ehegatten zur Hälfte neben den Kindern Erben. Da die Frau Alleinerbin wurde, waren die normalen erbrechtlichen Folgen aufgehoben. Grundlage dafür wird ein Testament gewesen sein.
Der Befreiungstatbestand des § 13 Abs. 1 Nr. 4 b ErbStG gilt nur für den überlebenden Ehegatten/Lebenspartner. Kinder sind in dem Befreiungstatbestand nicht erwähnt. Die Übertragung des Eigentums an die Tochter fällt deshalb nicht unter die Steuerbefreiung. Der Schutz des familiären Lebensraums kann daher kaum Beweggrund des Gesetzgebers gewesen sein. Kinder sind doch auch Familie?
Rückwirkender Wegfall der Steuerbefreiung
Die Steuerbefreiung fällt rückwirkend insgesamt weg, wenn der Überlebende das Familienheim nicht mehr selbst zu Wohnzwecken nutzt. Auch wenn die Ehefrau noch anderthalb Jahre nach dem Tod des Mannes Alleineigentümerin war, wirkt sich das nicht steuermindernd aus.
Keine steuerliche Beratungspflicht des Notars
In einem notariellen Übertragungsvertrag weist der Notar am Ende regelmäßig darauf hin, dass keine steuerliche Beratung stattgefunden hat. So wird das auch im vorliegenden Fall gewesen sein. Möglicherweise wollte die Frau auch einem Hinweis des Notars, einen Rechtsanwalt oder Steuerberater aufzusuchen, nicht folgen.
Freibeträge in der Erbschaftsteuer
Unabhängig von der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 b ErbStG haben Ehegatten einen Freibetrag in Höhe von 500.000 €, § 16 ErbStG. Im Ausgangsfall hatte das Finanzamt bereits vor der Aufhebung der Steuerbefreiung Erbschaftsteuer festgesetzt. Das geerbte Vermögen muss daher – auch ohne den Hausanteil des Mannes – schon mehr als 500.000 € betragen haben.
Möglicherweise hätten sich die steuerrechtlichen Folgen für die Ehefrau durch eine Beratung durch einen Rechtsanwalt oder Steuerberater vermeiden lassen.
Die Beratung durch einen Rechtsanwalt oder Steuerberater kostet Geld. Ob die Vergütung des Rechtsanwalts aber die Höhe der Erbschaftsteuer überschritten hätte, darf bezweifelt werden.
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